Hallo miteinander,
als ich folgendes las, war ich überrascht, es stellte sich aber dann doch als falsch heraus!
Professor Wenzel Schmeißer schreibt in seinen
"Beiträge zur Ethnographie der Schönhengstler" (Wiener Neutstadt, 1886)
(Quelle 1) auf S. 4:
Aus den Ergebnissen der Volkszählung vom 31. Dec. 1880, welche auch über die Umgangssprache der einheimischen Bevölkerung Aufschluss gibt,
lässt sich die Sprachgrenze genau ermitteln. Eine diesbezügliche Untersuchung zeigt, dass das Schönhengster Ländchen nicht einer Insel,
sondern einer Halbinsel vergleichbar ist. Die Landenge, welche diese Halbinsel mit dem schlesisch-deutschen Sprachgebiet im Osten verbindet,
bilden die zwischen Müglitz und Aussee gelegenen deutschen Ortschaften Tritschein und Polleitz.
Laut der beigefügten Volkszählung von 31.Dez.1880 hatten Tritschein (381 Ew.) und Polleitz (461Ew.)
keine "anwesende Bevölkerung" mit "tschech. Umgangssprache". (Seite 9)
Eine interessant aussehende detaillierte Karte liegt auch bei, leider ist sie in der mir vorliegenen digitalen Kopie nicht aufgeklappt kopiert worden.
Die Karte ist nach der Generalstabskarte von Herrn J. Reisner, Abiturienten der Ober-Realschule v. J. 1885, derzeit Hörer der techn. Hochschule zu Wien gezeichnet. Die Sprachgrenzen beruhen auf den Ergebnissen der Volkszählung v. 31. Dec. 1880.
Am Schluss der Beiträge auf Seite 31 fügt W. Schmeißer allerdings noch an:
Wie ich soeben aus einer privaten Mittheilung erfahre, stimmen die officiellen Angaben über die Umgangssprache von 1880 nicht überall mit den thatsächlichen Verhältnissen, so wie sie h e u t e bestehen, überein; so soll die Umgangssprache in Polleitz und Tritschein (Gerichtsbezirk Müglitz) nicht deutsch, sondern tschechisch sein. Um Missverständnissen vorzubeugen, betone ich also noch einmal, dass meine Ausführungen in dieser Hinsicht bloß auf den Ergebnissen der Volkszählung vom 31. Dec. 1880 beruhen, wie sie in den von der
k. k. statistischen Central-Commission herausgegebenen Special-Ortsrepertorien von Böhmen und Mähren, Wien 1885, dargestellt sind.
1880 hatte Tritschein 46 Häuser, 381 tsch. Ew.
(Quelle 2) Genau die Zahl, die oben als deutsche Ew. angegeben wird. Da wurde also falsch in die Spalten in der Tabelle der oben
angeführten Volkszählung eingetragen.
1910 tauchen diese beiden Orte in den Gemeinden des Schönhengstgaues nicht auf!
(Quelle 3)Um 1930 hatte die Gemeinde Polleitz 520 Ew. (467 tsch., 1 d.) und die Gemeinde Tritschein 456 tsch. Ew.
(Quelle 4)Also ein Fehler in der dort nachgedruckten Volkszählung oder der zur Verfügung stehenden Ausgabe.
Noch anzumerken ist:
Prof. Schmeißer zitiert in der Einleitung seiner "Beiträge" Karl von Czoernig
(Quelle 5), der
1857 schreibt:
Die deutsche Sprachinsel der sogenannten Schönhengstler ...
und Adolf Ficker aus dem Jahr
1869:
(Quelle 6)Die größte dieser Sprachinseln ist jene der nach ihrem Wohnen um den Bergrücken des Schönhengst sogenannten Schönhengstler, welche dem deutschen Hauptgebiete im Chrudimer und Olmützer Kreise so nahe liegt, dass sie von demselben durch das slavische Element nur wie durch eine Meerenge abgetrennt erscheint. ...
Prof W. Schmeißer wollte die Sprachgrenze der Sprachinsel genauer ermitteln, weil vorher nur unscharf angegeben und nahm deshalb die Volkszählung von 1880,
wo (vielleicht erstmals?) die tsch. u. dt. Umgangsprache aufgeführt ist, leider mit dem Dreher in den Zahlen!
Vielleicht ist es für Euch interessant?
Viele Grüße
Thomas
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Quellen:
(1)
Beiträge zur Ethnographie der Schönhengstler von Wenzel Schmeißer, veröffentlicht von A. Klinger, 1886. Original von University of California. Digitalisiert am 12. Febr. 2008
(2) Bartos et al. Historiky mistopis moravy a sleska v letech 1848 - 1960, Ostrava 1974
(3) In der Schönhengster Heimatschrift, die anlässlich der Schönhengster Heimattage vom 28. Juni - 5. Juli 1922 in Zwittau von Professor A. Mudrak zusammengestellt wurde, sind die Gemeinden des Schönhengstgaues mit Volkszählungsdaten vom Jahre 1910 aufgeführt.
(4) Ernst Pfohl, Ortslexikon Sudetenland, Helmut Preußler Verlag Nürnberg 1987, 680 S.
Nachdruck der 3. Auflage von 1931 mit dem damaligen Titel „Orientierungslexikon der Tschechoslowakischen Republik“. Im Grunde ist der Titel von 1987 missverständlich, denn das Buch enthält Kurzbeschreibungen zu jedem Ort in der damaligen Tschechoslowakischen Republik. Die Angaben zu den Einwohnern richten sich nach der "letzten Volkszählung". Ob das die Volkszählung von 1930 schon berücksichtigt ist oder die davor, kann ich daher nicht mit Sicherheit sagen.
(5) Czoernig, Karl v., Ethongraphie der österreichischen Monarchie. I. Bd. 1. Abth. Wien 1857. S. 40
(6) Ficker, Dr. Adolf, Die Völkerstämme der österr.-ung. Monarchie. Wien, 1869. S. 45